Das Wesen des Pessachseders
- Akiva Weingarten
- 1. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Liebe Gemeindemitglieder,
während wir uns auf das Pessachfest vorbereiten, ist es an der Zeit, nicht nur über die Traditionen des Feiertags nachzudenken, sondern auch über die tiefere Bedeutung von Erlösung, Glauben und Aufrichtigkeit. Eine der inspirierendsten Pessachgeschichten stammt von Rabbi Levi Yitzchak von Berditschew, der für sein tiefes Mitgefühl und seine Liebe für jeden Juden bekannt ist.

Es wird erzählt, dass Rabbi Levi Yitzchak in einer Pessach-Nacht einen Zustand intensiver spiritueller Erhebung erreichte und sich fühlte, als wäre er in den siebten Himmel aufgestiegen. In diesem Moment offenbarte ihm eine himmlische Stimme:
„Rühme dich nicht, denn der Seder des Pförtners Chaim ist größer als deiner!“
Neugierig auf diese Offenbarung schickte Rabbi Levi Yitzchak seine Chassidim in die Straßen von Berditschew, um diesen geheimnisvollen Chaim, den Pförtner, zu finden. Sie fanden ihn zu Hause, tief schlafend, nachdem er am Tag zuvor viel getrunken hatte. Trotz des Protests seiner Frau, dass er zu betrunken sei, trugen sie ihn zum Haus des Rabbiners, wo er neben Rabbi Levi Yitzchak Platz nahm.
Der Rabbi wandte sich ihm zu und fragte: „Mein lieber Reb Chaim, was waren deine Gedanken und Absichten während deines Seders?“
Der noch immer schläfrige Pförtner schaute den Rabbi an und antwortete: “Ich werde Ihnen die Wahrheit sagen. Ich habe gehört, dass man während der acht Tage des Pessachfestes keinen Schnaps trinken darf, also habe ich heute Morgen genug getrunken, um für alle acht Tage zu reichen. Ich wurde müde und schlief ein.
Als die Nacht kam, weckte mich meine Frau und sagte: „Warum führst du nicht den Seder durch, wie alle Juden?“
Ich antwortete ihr: “Was willst du von mir? Ich bin ein unwissender Mann, der Sohn eines unwissenden Mannes. Aber eines weiß ich: Unsere Vorfahren waren einst versklavt und wir haben einen großen Gott, der uns erlöst und in die Freiheit geführt hat. Jetzt sind wir wieder in Gefangenschaft, und ich sage dir: Der Heilige, gepriesen sei er, wird uns ein weiteres Mal erlösen.“
Dann sah ich Matzen, Wein und Eier auf dem Tisch. Ich aß, ich trank und gab auch meiner Frau zu essen und zu trinken.

Danach erfüllte eine große Freude mein Herz. Ich hob meinen Becher zum Himmel und sagte: „Sieh, mein Gott, diesen Becher – ich trinke auf deine Gesundheit! Wende dich uns zu und erlöse uns!“ Und dann schlief ich wieder ein.“
Diese Geschichte erinnert uns daran, dass es beim Pessachfest nicht nur um die formale Struktur des Seders geht, sondern auch um das Wesen des Glaubens, der Dankbarkeit und der Sehnsucht nach Erlösung. Während Rabbi Levi Yitzchak in tiefe spirituelle Kontemplation versank, war es der einfache und aufrichtige Glaube des Türstehers Chaim, der in den Augen des Himmels als der größte Seder galt.
In unserem eigenen Leben streben wir oft nach Perfektion in unseren Traditionen und Ritualen. Aber das wahre Wesen des Pessachfestes liegt in unseren Herzen – in unserer Fähigkeit zu erkennen, dass wir uns, genau wie unsere Vorfahren aus Ägypten erlöst wurden, nach persönlicher und kollektiver Erlösung sehnen.
Am Samstag, dem 12. April, werden wir in unserer Gemeinde gemeinsam den Pessach-Seder feiern. Pessach ist der erste Feiertag, den wir als Nation begehen, und markiert unseren Übergang von der Sklaverei in die Freiheit. Es ist auch das erste der drei Pilgerfeste, zu denen in der Antike alle Juden verpflichtet waren, zum Tempel in Jerusalem zu gehen.
Wenn wir uns zu unserem gemeinschaftlichen Sederabend versammeln, sollten wir daran denken, dass der wichtigste Teil des Feiertags nicht nur die Rituale sind, sondern der Geist des Glaubens, der Freude und der Einheit. Mögen wir alle, ob wir nun mit der Familie, mit Freunden oder mit unserer Gemeinde feiern, ein Pessachfest der Freiheit, der Erneuerung und des Segens erleben.
Wir freuen uns darauf, mit euch zu feiern, und wünschen euch ein Chag Pessach Kascher v'Sameach!
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