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Kultuskommission

Was ist Zom Tammus?

Am 23. Juli ist in diesem Jahr Zom Tammus, das auch als שבעה עשר בתמוז (Schiwa Assar beTammus) bekannt ist. Was hat es damit auf sich?


Am 17. Tammus erinnern wir vor allem an den Fall der Mauern Jerusalems während der Belagerung durch die Babylonier im Jahr 586 BCE. Dies war der erste Schritt zur endgültigen Zerstörung des ersten Tempels (dem salomonischen). Später, im Jahr 70 CE, durchbrachen die Römer am selben Datum die Mauern Jerusalems erneut, was zur Zerstörung des zweiten Tempels führte. Das macht den Tag zu einem zentralen Punkt unserer Geschichte und er hat das kollektive Gedächtnis und unsere Identität tief geprägt.


Wie so oft werden mit dem Tag retrospektiv auch andere Begebenheiten verbunden, an die wir ebenfalls erinnert werden. Zum Beispiel wurde an diesem Tag, gemäß der jüdischen Tradition, die tägliche Opferung im ersten Tempel aufgrund des Belagerungsdrucks eingestellt. Auch das Verbrennen einer Tora-Rolle durch den griechischen König Apollonius und die Aufstellung eines Götzenbildes im Tempel durch die Griechen werden mit diesem Tag in Verbindung gebracht. Moses ist Bekannterweise die 40 Tage nach Schawuot auf dem Berg Sinai (also bis zum 17. Tammus). An diesem sei er mit den zehn Geboten herabgestiegen und habe dort vom goldenen Kalb erfahren, das sich das Volk geschaffen und angebetet hatte.


Diese dramatischen Ereignisse haben dazu geführt, dass Zom Tammus als Fasttag begangen wird. Dennoch wird er im Tanach "ein Tag des Jubels und der Freude für das Haus Juda" genannt (Secharja, 8). Dieses beeinander von Freude und Zerknirschung dürfen wir wohl mit Fug und Recht als unsere Spezialdisziplin sehen. In der Tat sind Heimsuchungen in unserer Geschichte immer wieder die Momente besonderen Zusammenhalts und intensiver Besinnung gewesen - und sind dies weiterhin.


Mit Zom Tammus beginnen die "drei Wochen", eine Trauerzeit bis zum 9. Aw. Das war der Tag an dem die Tempelzerstörungen stattgefunden haben - und eine Vielzahl anderer Katastrophen in unserer Geschichte! Sie werden der Trauer aber auch dem Nachdenken gewidmet. Viele von uns vermeiden Feste und freudige Ereignisse, ganz besonders in den letzten neun Tagen dieser Zeit. Heute wird die Rückbesinnung weniger durch Verbote und Verzichte wachgehalten, als vielmehr mit der Erinnerung und Beschäftigung mit der und den Geschichte(n). Manche von uns verzichten zwischen Zom Tammus und Tischa beAw auf Fleisch. Ziel erscheint es zu sein, Angewohnheiten einzuführen, die die Fokussierung auf diesen Teil unserer Geschichte zu lenken und dessen Bedeutung für uns heute zu ergründen.


Der Überfall der Hamas am 7. Oktober ist für uns als Volk nicht von der Bedeutung einer Tempelzerstörung, aber seit sehr langer Zeit die größte die größte Heimsuchung. Sie bringt uns erneut an unsere Grenzen, sowohl was den Schmerz und die Trauer angeht, aber auch bezüglich der Reaktion auf das Unheil. In Israel (und der Welt) spüren wir überall, dass zwischen Rache, Habgier einerseits bis Versöhnung, Friedenssuche und Kooperation andererseits alle Reaktionen gewünscht und auch durchgeführt werden. Aber vor allem wird darüber gestritten. Kaum einer Jüdin oder einem Juden kann der Gazakrieg, seine Entstehung und seine Führung egal sein. Wir müssen uns dazu verhalten - so wie uns auch der Zom Tammus dazu anhält nicht gleichgültig an die Geschichte zu denken, als wäre sie nur eine Jahreszahl. Vielmehr müssen wir sie durchdringen, verstehen und sie auf unser Leben beziehen, damit sie eine Bedeutung bekommt.


In diesem Jahr sind wir durch den Gazakrieg noch näher dran, an der Trauer, der Heimsuchung und dem Unglück. Aber auch näher an unseren Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Denn es reicht nicht, nur für die Deutung der Welt unsere Geschichte und unsere Tradition zurate zu ziehen. Wir müssen sie auch auf unsere Gegenwart und Zukunft anwenden. Nur dann werden wir ein Volk bleiben, das Tradition und Anpassung gleichzeitig beherrscht. Manche behaupten, dass es uns vor allem deshalb noch gibt. Wer weiß.

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