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Zum Tod von Friedrich-Wilhelm Junge. Ein Jude erinnert sich.

Autorenbild: Dr. Herbert LappeDr. Herbert Lappe

Als ich Friedrich-Wilhelm Junge vor einem Jahr in der Weinbergstraße in Radebeul besuchte, erschien er mir so, wie ich ihn seit Jahrzehnten kannte: Ein lebhafter, an gesellschaftlichen Problemen interessierter und origineller Herr. Seine fast fünfundachtzig Jahre merkte ich ihm erst an, als er etwas unsicher die Treppe hinunterging.


Generationen von Dresdnern werden ihn als großen Schauspieler in Erinnerung behalten. Für uns Juden gehörte er zu den von vielen Dresdnern bewunderten und geachteten Persönlichkeiten, die sich jahrzehntelang öffentlich für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus eingesetzt haben.


Portrait von Friedrich-Wilhelm Junge

Gemeinsam mit seiner Frau Carla Junge unterstützte er seit den 1980er Jahren mit künstlerischen Beiträgen den “Arbeitskreis Begegnung mit dem Judentum”, aus dem 1991 die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit hervorging. Ziel des Arbeitskreises war es, die jahrhundertealte Geschichte der Dresdner Juden, ihr Leiden während der NS-Zeit, aber auch das individuelle Überleben der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 sowie die jüdische Kultur wieder ins Bewusstsein der Dresdner Bürger zu bringen. Staatliche Unterstützung oder gar Anerkennung fanden diese Aktivitäten nicht. Sie waren vom Staat nicht erwünscht und wurden deshalb auch überwacht.


Nachdem die Volkskammer der DDR 1990 die Aufnahme sowjetischer Juden beschlossen hatte, las das Ehepaar Junge im Dezember 1990 auf einer Benefizveranstaltung zur Unterstützung der zugereisten sowjetischen Juden. Später auch im Rahmen der Woche der Brüderlichkeit, die von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit organisiert worden war.


In den 1990er Jahren diskutierten viele Dresdner über einen möglichen Wiederaufbau der Frauenkirche. Nur wenige erinnerten sich daran, dass es in Dresden auch eine Synagoge gegeben hatte, die während der Novemberpogrome 1938 zerstört worden war. Von ihr war noch nicht einmal eine Ruine übriggeblieben. Für Karl-Friedrich Junge und andere nichtjüdische Aktivisten war es ein Bedürfnis und eine Verpflichtung, den dresdner Juden eine neue Synagoge zu bauen. Ihr Motto lautete: Erst wurde die Synagoge von Deutschen zerstört - dann die Frauenkirche durch den von Deutschland ausgehenden Krieg. Deshalb muss vor der Frauenkirche eine neue Synagoge gebaut werden.


So lag es nahe, dass das Ehepaar Junge mit seinen beruflichen Erfahrungen den Förderverein für den Neubau der Synagoge am Hasenberg unterstützte. Zum einen ging es darum, die Idee einer neuen Synagoge aus dem Schatten der alles überragenden Frauenkirche herauszuholen, zum anderen darum, Geld für den Bau zu sammeln. 1997 veranstaltete der Förderverein das erste von rund 30 Benefizkonzerten. Sie fanden meist in der Unterkirche der Frauenkirche statt. Außerdem öffnete Friedrich-Wilhelm Junge die Bühne des von ihm geleiteten Theaterkahns (Dresdner Brettl) für Benefizveranstaltungen. 1998 feierte er seinen 60. Geburtstag zugunsten des Synagogenbaus auf seinem Theaterkahn.


Der Innenhof der Synagoge ist mit einem Platanenhain begrünt. Die erste Platane pflanzte das Ehepaar Junge. Mit der Einweihung der Synagoge am 9. November 2001 ging ihr Wunsch in Erfüllung: eine Synagoge für die Dresdner Juden - noch vor der Weihe der Frauenkirche.

Auch danach unterstützte er die Jüdische Gemeinde. So erklärte er sich sofort bereit, bei einer Gedenkveranstaltung für einen ermordeten Juden einen Text zu lesen.

Friedrich-Wilhelm Junge war nicht der einzige Dresdner, der sich für den Wiederaufbau der Synagoge einsetzte. Aber es gab nur wenige namhafte Künstler, die sich so sehr dafür engagierten.


Am 27. November 2026 wird die neue Synagoge 25 Jahre alt. Ich hoffe, dass man dann nicht, wie zum 20-jährigen Jubiläum, ihren Bau als bloßes Wunder betrachtet. Es war ein Wunder, das erst durch Persönlichkeiten wie Friedrich-Wilhelm Junge möglich wurde.

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